Direkt zum Hauptbereich

Einfach Brücken bauen

Brücken bauen

Ich sitze gerade auf dem Balkon. Die Sonne steht schon etwas tiefer, mein frisch gepresster Karotten-, Orangen-, Zitronen-, Ingwer-Saft steht kühl und leuchtend neben mir. Ich strecke die Beine aus, atme durch, und entdecke einen Stapel Zeitschriften auf dem Tisch. Ich blättere einfach ein bisschen herum – ohne Ziel, einfach treiben lassen. Und dann springen mir plötzlich zwei Worte ins Auge: Brücken bauen.

Zwei einfache Worte – und sofort ist da ein Impuls. Ein Gedanke, der mich nicht mehr loslässt.

Brücken bauen – das begegnet uns doch ständig. Jeder spricht davon. Jeder hofft darauf. Und ja, das Thema berührt. Denn Brücken bedeuten Verbindung. Hoffnung. Zugang. Und auch Heilung.

Gerade im Ahrtal, das durch die Flutkatastrophe 2021 so schwer getroffen wurde, ist dieses Thema ganz konkret. Dort wurde kürzlich eine neue Brücke eröffnet. Und wer das Ahrtal kennt, weiß: Viele Brücken wurden damals einfach weggespült. Sie waren plötzlich verschwunden – von einem Tag auf den anderen. Ganze Dörfer wurden durch den Fluss voneinander getrennt. Auf einmal war die eine Seite vom Ort nicht mehr erreichbar für die andere. Menschen konnten sich nicht mehr sehen, nicht mehr helfen, nicht mehr trösten. Das war nicht nur praktisch schwierig – das war auch emotional eine tiefe Wunde.




Umso bewegender ist es, wenn jetzt, Jahre später, neue Brücken stehen. Feste, verlässliche Bauwerke. Brücken, die Menschen und Orte wieder miteinander verbinden. Eine schöne, geteerte Fläche – ohne Stolpersteine, ohne improvisierte Umwege. Eine Verbindung, die wieder möglich macht, was so lange gefehlt hat.

Aber Brücken sind nicht nur aus Beton oder Stahl. Brücken können auch zwischen Menschen entstehen. Zwischen Gedanken. Zwischen Erfahrungen. Zwischen dem Gestern und dem Heute. Und auch zwischen dem, was wir fühlen, und dem, was wir sagen.

Ich denke darüber nach, was Brücken sonst noch bedeuten. Sie ermöglichen es, große Distanzen in kurzer Zeit zu überwinden. Wenn man zum Beispiel über einen großen Fluss will: Mit einer Brücke ist das ein Spaziergang oder eine kurze Autofahrt. Ohne Brücke müsste man schwimmen oder mit dem Boot übersetzen – was länger dauert, vielleicht anstrengend ist, aber auch intensiver. Man würde mehr mitbekommen. Mehr sehen. Den Fluss riechen. Die Landschaft hören. Den eigenen Herzschlag spüren.

Und doch – Brücken sind eine Erleichterung. Eine Chance. Eine Einladung. Sie sagen: Du kannst rüberkommen. Du musst nicht feststecken. Es gibt einen Weg. Und das ist kostbar.

Gerade, während ich das schreibe, weht ein plötzlicher Windstoß über meinen Balkon. Fast so, als wollte er mich von meinem Stuhl pusten. Oh mein Gott. Ich muss lachen. Vielleicht ist das ein kleiner Wink – dass das Leben nicht immer ruhig und still ist, wenn wir denken. Manchmal will es uns anschieben. Wachrütteln. Oder einfach nur mitspielen.

Ich glaube, wir brauchen mehr Brücken. Mehr Verbindung. Nicht nur zwischen Ufern, sondern zwischen Menschen. Zwischen Generationen. Zwischen Meinungen. Zwischen unterschiedlichen Welten. Und auch in uns selbst – zwischen dem, was wir sind, und dem, was wir vielleicht noch werden wollen.

Und manchmal fängt so eine Brücke ganz unspektakulär an: mit zwei Wörtern in einer Zeitschrift. Mit einem Schluck Saft. Mit einem kleinen Windstoß. Und dem Mut, darüber zu schreiben.


Winke Winke und bis bald


Eure Nadia 🌿

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Seit 4 Tagen 50

Willkommen im Club – oder: Ich bin jetzt 50. Und? Es fühlt sich richtig gut an. Seit vier Tagen bin ich nun: „Willkommen im Club.“ Ein Club, von dem ich bis vor Kurzem noch nicht einmal wusste, dass es ihn überhaupt gibt. Aber ich habe schnell verstanden: Dieser Club scheint nur Positives zu bringen – zumindest lege ich es jetzt mal so aus . 😉 Ich hoffe nur, dass ich keinen Clubbeitrag zahlen muss... Momentan bin ich ja noch Neulingin . 😄 So wie ich das bisher mitbekommen habe, scheinen sich diejenigen, die mich in diesem Club willkommen geheißen haben, ganz wohl zu fühlen . Einige sagen sogar: „Jetzt beginnt die schönste Zeit.“ Und: „Mir geht es richtig gut.“ Ich habe auf jeden Fall gebührend – und mir selbst gegenüber wohlwollend – meinen Geburtstag gefeiert. Ich habe Gott gedankt. Und ich habe einfach getan, wonach mir war. Natürlich habe ich auch die Außenwelt an meinem Glück teilhaben lassen: In Form von tagesbegleitenden Lives auf Facebook . Zum Beispiel ...

Einfach mal ansprechen

  Begegnung im Wald Heute hatte ich wieder eine besondere Begegnung. Eigentlich wollten wir nach Calw fahren – ein bisschen den Tag verbringen, unterwegs einen Kaffee trinken. Ich war schon früh wach und hatte mir ohnehin vorgenommen, spazieren zu gehen, in den Wald ganz in der Nähe meiner Eltern. Dann kam eine Nachricht: Papa geht's nicht so gut. Er weiß noch nicht, ob er mitkommen will oder kann. Also habe ich gesagt: Dann machen wir das einfach so, wie es kommt. Ich bin losgegangen, allein in den Wald. Am Waldeingang kam mir eine Frau mit einem Hund entgegen – oder besser gesagt: Wir liefen fast gleichzeitig los. Wir sagten ganz normal „Guten Morgen“.  Etwas später begegneten wir uns nochmal und ich dachte ich frag sie jetzt einfach mal. „Schönen guten Tag. Darf ich Ihnen mal eine Frage stellen?“ Ich schaue sie an – und sie sagt: „Bist du nicht die Nadia?“ Ich: „Heike?“ Und sie: „Ja!“ Ich konnte es kaum fassen. Das darf doch jetzt wohl nicht wahr sein?! Eine frühere Klassen...

Einfach langsam machen

Langsamer leben – eine Einladung zum Innehalten Heute Morgen lag ich noch im Bett, als mir wieder dieses eine Thema durch den Kopf ging: langsamer machen . Es begleitet mich schon lange. Und vielleicht ist heute ein guter Tag, um dir davon zu erzählen – und dir eine kleine Inspiration mit auf den Weg zu geben: Deinen Tag bewusster zu gestalten. Dein Leben langsamer anzugehen.  Vom Müssen zum Sein Früher dachte ich, ich müsste jeden Tag bis zum Rand füllen. Möglichst viel erledigen, produktiv sein, keine Minute verschwenden. Und wenn am Abend noch etwas offen war, habe ich es einfach noch mit reingequetscht. Immer weiter, immer mehr. Heute sehe ich das anders. Ich genieße es inzwischen, einfach zu sein . Ohne den ständigen Druck, mich durch das, was ich tue, definieren zu müssen. Ohne das Gefühl, dass ich meinen Wert aus To-do-Listen ziehen muss. Langsam heißt nicht stehen bleiben Mit „langsam“ meine ich übrigens nicht, dass du dich wie eine Schnecke bewegen oder gar nichts ...